Natur im Blick: Wanderungen im Nationalpark Hainich
In den Herbstferien habe ich die Wanderschuhe angezogen um zwei Wochen lang die Na-
tur zu Fuß zu erkunden. In diesem Jahr zog es mich in den Nationalpark Hainich, UNE
SCO-Weltnaturerbe – Alte Buchenwälder und Buchenurwälder.
An einem Wanderweg wird auf einer Tafel folgende Frage an die Wanderer gestellt:
Diese Fragen sollten mich in den zwei Wochen immer wieder begleiten. Der Hainich ist
ein großflächiger Buchenmischwald. Das heißt, dass die Buche, Rotbuche, die dominante
Baumart im Wald ist. Eingestreut im Waldinneren, jedoch hauptsächlich an den Waldrand-
zonen stehen: z.B. Eschen, Ahorn, Ulmen, Eichen und Linden.
„Wie wünschst Du Dir den Wald?“ In den ersten Tagen habe ich immer wieder nach alten,
urigen Exemplaren von Rotbuchen Ausschau gehalten. Diesen Anblick kenne ich aus an-
deren Wäldern und er zieht mich magisch an.
Mit Staunen stehe ich gerne da und bewundere mit welcher Kraft und Ausdauer diese al-
ten – uralten – Riesen die Zeit gemeistert haben. Wie oft habe ich ihren Wuchs bestaunt:
geteilt, weit ausladend, verzweigt, knorrig, …. Es sind richtige Baumpersönlichkeiten.
Diese Bäume gliedern den Raum um sich herum und setzen Akzente.
Im Hainich habe ich allerdings vergeblich danach Ausschau gehalten. Lediglich ein etwas
älteres Exemplar habe ich entdeckt. Den Wunsch nach uralten Buchenbäumen galt es los-
zulassen.
Ich recherchiere: im Hainich sind alle Buchen mehr oder weniger gleich alt. Sie haben ein Al-
ter von ca. 40 bis 60 Jahren. Ein noch recht junger Wald. Seit 1988 werden im Hainich keine
neuen Bäume mehr gefällt. Doch ein Urwald ist der Hainich nicht – er ist eher ein „Urwald-
Erwartungsgebiet“.
Bei meinen nächsten Wanderungen versuche ich mir den Hainichwald zu erschließen: „Was
wünschst Du Dir vom Wald?“
Ich wünsche mir Ruhe. Die finde ich hier im Wald. Wenige oder gar keine Wanderer begeg-
nen mir bei den Wanderungen. Kein Lärm von Straßen oder Ähnlichem dringt in den Wald.
Erholsame Stille, nur die Geräusche meiner Schritte, gelegentlich fallende Äste und das
Rauschen der Blätter im Wind.
Meine weiteren Wünsche habe ich fallen gelassen. Ich streife aufmerksam auf den ver-
schiedensten Wanderwegen durch den Wald. Was gibt es alles zu entdecken? Was zeichnet
den Hainich aus?
In vielen Bereichen faszinieren die hohen und schlank gewachsenen Buchen. Eine Art Hal-
lencharakter entsteht. Es hat etwas Sakrales.
In den Randgebieten des Hainich wachsen vermehrt junge Eschen. An vielen Orten konnte
ich beobachten, dass diese jungen Eschenbäume allesamt umgestürzt sind. Ein aus Asien
eingeschleppter Pilz setzt den Bäumen zu. Die jungen Bäume sterben innerhalb kurzer Zeit
ab und fallen um.
So bietet sich an einigen Stellen im Wald ein seltsamer Anblick „von übergroßen Mikado
Stäben“.
Wasser sieht man im Hainich kaum. Das Wasser fließt überwiegend unterirdisch ab. Die Bä-
che sind daher als Steingräben ausgeprägt und ihre Täler sind Trockentäler. Charaktervolle
bemooste Baumwurzeln halten an den Rändern der Gräben die hohen Bäume im Gleichge-
wicht.
Der Hünenteich – ein angestauter Erdfall – ist eines von wenigen stehenden Gewässern im
Hainich.
In einem Urwald lässt man gefallene Bäume liegen. Sie bieten in ihrem Verrottungsprozess
vielen Lebewesen Schutz und Raum, Boden wird erneuert. Gefallene Bäume lassen Junges
nachwachsen und bieten faszinierende Blicke und Einblicke in diesen Prozess. Neue Ansich-
ten und Raumeindrücke entstehen.
Es ist Herbst und somit Pilzsaison. Doch so sehr ich suche, sehe ich nur sehr wenige Pilze
in diesem Wald. Drei neue, mir unbekannte Arten, werden von mir entdeckt: die essbare
Herbsttrompete, der Teuerling und der Grünspanbecherling.
Der Grünspanbecherling hat es mir besonders angetan. Mit seiner Türkisfarbe mutet er selt-
sam bizarr an auf dem am Boden liegenden morschen Laubholz. Der Pilz erhält seine Farbe
durch den Farbstoff Xylindein. Dieser Farbstoff befindet sich in den Fruchtkörpern und dem
Myzel. Der Farbstoff bleibt im Holz. Das grünlich-blaue Holz wurde in der Zeit der Renais-
sance für Intarsienarbeiten verwendet.
Spannend! Die Natur hat so viele Geheimnisse, die häufig im Verborgenen zu finden sind.
Die Wanderwege im Hainich sind vielgestaltig: schmale Trampelpfade und breite Wege,
manchmal begrenzt, mit Blicken in die Weite, fast immer von hohen und manchmal von jun-
gen Buchen beschirmt.
Ich bin gerne im Wald, auch alleine. Im Hainich fühle ich mich jeden Tag geborgen. Nur
einmal war mir etwas mulmig. Da mir ein Rundwanderweg zu lang war, habe ich ihn
über einen älteren Wanderweg abgekürzt. Ein großräumiger, ruhiger Waldabschnitt. Doch
wer findet mich, wenn mir etwas passiert? Kommt hier jemals ein Wanderer vorbei?
Meinen Erkundungsmut sollte ich doch manchmal überdenken.
Ich genieße die Ruhe und die Stille und die urwüchsige Natur. Meine Gedanken werden
leiser und geben der Aufmerksamkeit Raum. Innere Einkehr ist möglich.
Was wünscht sich der Wald von mir? Der Wald wünscht sich von mir, dass ich mich auf
ihn einlasse und vorbehaltlos auf Entdeckungstour gehe. Nur so kann ich seine Schönheit
und seine zahlreichen Facetten wahrnehmen. Ich werde reich beschenkt.
Waldszenen im Gesundheitswesen bieten Geborgenheit und ermöglichen den Gedanken,
zur Ruhe zu kommen.
Einen kleinen Film können Sie sich auf YouTube ansehen:
https://www.youtube.com/watch?v=y66VIqP36D8